Wie geht gute Schule?

Veröffentlicht am 16.12.2010 in Kommunale Werkstätten
  • Rainer Prewo diskutiert Bildungspolitik mit Eltern und Lehrern

Sollte die SPD bei der baden-württembergischen Landtagswahl im kommenden März Regierungsverantwortung übertragen bekommen - „und dafür sieht es gar nicht mal so schlecht aus“, so der SPD-Landtagsabgeordnete Rainer Prewo – dann wird die Bildungspolitik im Südwesten ein Schwerpunkt sein. Längst überfällig sei es beispielsweise, die Ganztagesschule ins Schulgesetz aufzunehmen und ihre Finanzierung auf der Basis des Konnexitätsprinzips zu sichern – der Landespolitiker übersetzt das mit „wer bestellt, der bezahlt“. Auch sollen Schulformen mit längerem gemeinsamem Lernen endlich möglich sein, wenn Träger und Schule das wünschen – heute undenkbar. An den Gymnasien soll neben dem achtjährigen (G8) wieder das neunjährige Abitur (G9) angeboten werden können. Besonders wichtig ist den Sozialdemokraten laut Rainer Prewo der Erhalt kleiner Schulen auf dem Land und in strukturschwachen Regionen. Der ehemalige Nagolder Oberbürgermeister hält Investitionen in die Bildung für vorrangig und will mit seiner Partei künftig „mehr Geld für Schulen und Bildung zur Verfügung stellen“.

In einem ersten Schritt will die SPD die Entscheidung über die Wahl der weiterführenden Schule in die Hände der Eltern legen. “Unser Ziel ist es aber, von der Auslese der Schülern nach der vierten Klasse ganz weg zu kommen“, sagte Prewo bei einer Veranstaltung am Nagolder Otto-Hahn-Gymnasium, bei der unter dem Motto „Wie geht gute Schule?“ über die Zukunft der Bildungseinrichtungen und deren Arbeit diskutiert wurde. „Meine Vorstellung ist, dass alle Kinder nach der Grundschule auf das Gymnasium gehen, bis zu zehnten Klasse.“ Erst danach, so Prewo, solle eine Entscheidung darüber gefällt werden, wie der weitere (Aus-)Bildungsweg aussehen sollte. Und für den SPD-Landespolitiker steht außer Frage: Ganztagesschulen und ein Höchstmaß an individueller Förderung müssen mit den neuen Bildungskonzepten einher gehen. Auch will Prewo, dass die Schulen wieder mehr Wert auf sportliche Angebote legen. Durch den Sport werde schließlich nicht nur ein Ausgleich zum traditionellen Unterricht geboten, dieser fördere auch die Lernfähigkeit - „ebenso wie das Musizieren“, sagte Prewo. Die SPD zeigte bei der Veranstaltung den Film „Treibhäuser der Zukunft – wie Schulen in Deutschland gelingen“, mit dem der Regisseur Reinhard Kahl erfolgreiche Schulmodelle vorgestellt und zur Diskussion gestellt hat. Die Beispiele individuellen Lernens in Ganztagsschulen regten den Landtagsabgeordneten Rainer Prewo, den Rektor des OHG Nagold Walter Kinkelin, den Kreisvorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im Kreis Calw (GEW) Gottfried Gruner, die SPD-Kreisvorsitzende Saskia Esken, die vor zwei Jahren den Arbeitskreis der Elternbeiräte im Kreis Calw mitbegründet hat, sowie viele weitere Lehrer, Schulleiter und Eltern zu einem angeregten Gespräch über die Bedingungen für eine „gute Schule“ an. Dass in Deutschland im Bereich der Bildungspolitik zu viel diskutiert, aber zu wenig umgesetzt werde, unterstrich ein Gymnasiallehrer, der die im Film vorgestellten Ideen allesamt positiv bewertete, der aber auch beklagte, dass zu große Klassen und zu kleine Räume an den „normalen“ Schulen oft keine Möglichkeit böten, Unterricht individuell zu gestalten. „Gebt mir kleinere Klassen und bessere Räume, dann setze ich das auch um“, sagte er. Auch Walter Kinkelin empfindet die Räume seiner Schule trotz der vergleichsweise guten Ausstattung als wenig anregend. „Die Zimmer sind gemütlich wie in einem Kreiskrankenhaus“, sagte er provozierend. Doch nicht nur die räumliche Situation an den Schulen ist verbesserungswürdig, wie die Redebeiträge der mehr als 20 Veranstaltungsteilnehmer deutlich machten. Auch die geringe Lehrerausstattung, große Klassen und hoher Unterrichtsausfall machten die Schulen zu „wahren Künstlern im Verwalten des Mangels“, so Esken. Obwohl die Bildungswege in Baden-Württemberg vielfältig sind, sei es deutlich mühsamer, seinen Bildungsabschluss über den zweiten Bildungsweg zu machen, darauf verwiesen Eltern wie Lehrer gleichermaßen. An Widerständen und überwundenen Hürden könne man zwar wachsen, sie kosteten aber ein Unmaß an Kraft und Lebenszeit. Die frühe Selektion wirkt sich nach der Erfahrung von Eltern und Lehrern auch negativ auf die Klassengemeinschaft und die Elternschaft aus. Spätestens ab Klassenstufe 3 beginne der Druck der Eltern, die ihre Kinder für den Wettlauf um die Wahl der weiterführenden Schule fit machen wollten. Es gehe dann nur noch um Leistung, und oft genug breche die Klassengemeinschaft auseinander. Rainer Prewo forderte daher, dass das bestehende System an seinen Schwachpunkten „grundlegend unter die Lupe genommen werden müsse“. „Alle Kinder und Jugendlichen haben ihr ganz eigenes Potenzial, erfolgreich zu sein“, davon ist Gottfried Gruner von der GEW überzeugt. Gerade deshalb sieht er die Notwendigkeit, individuell auf jedes Kind einzugehen. Nicht alle könnten in der gleichen Zeit dieselben Lernfortschritte machen, bei manchen platze der sprichwörtliche Knoten eben erst später. Für das Lernen nach individuellem Tempo und individueller Methode sei die Auslese der Schüler in verschiedene Schultypen aber zumindest unnötig, wenn nicht kontraproduktiv. Auch könnten mit der 10-jährigen Gemeinschaftsschule gerade in ländlichen Regionen wohnortnahe Schulstrukturen aufrecht erhalten bleiben, das hat die GEW in einer jüngst vorgelegten Studie nachgewiesen. Warum es in Deutschland unter Lehrern, Eltern und in der Politik so viel Widerstand gegen das längere gemeinsame Lernen und leider auch gegen die Ganztagsschule gibt, das war eine der Fragen, die zwar diskutiert wurde, die aber letztlich offen bleiben musste. Da werden die Befürworter noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten haben, damit sich ein Bürgerbegehren wie in Hamburg nicht wiederholt. Mit diesem guten Vorsatz ging man in die eisige Kälte des Nikolausabends auseinander.

 

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