Kommentar der Woche: Neues Jahr - Entscheidungsjahr

Veröffentlicht am 11.01.2009 in Politik
Dipper

10.01.2009

Das Superwahljahr 2009 hat begonnen! Auf drei der vier Ebenen Europa-Bund-Land-Kommunen werden die Parlamente neu gewählt: Am 7. Juni findet die Europawahl statt und am selben Sonntag haben wir in Baden-Württemberg Kommunalwahlen. Im Herbst am 27. September folgt dann die Bundestagswahl. Wie es aussieht, werden die geplatzte Finanzblase und die daraus resultierende Rezession das Wahlkampfthema Nummer Eins. Krisen, so schmerzhaft sie sind, bieten auch immer die Chance zum Wandel. In den kommenden Wahlen geht es darum, ob es nach dieser Krise so weiter gehen soll wie bisher, und damit die nächste Krise vorprogrammiert wird, oder ob wir aus der Krise lernen. Kurz es geht um die Entscheidung zwischen Neoliberalismus und sozialer Marktwirtschaft.

Die Rezession hat uns bereits fest im Griff. In der großen Koalition wird munter über die richtigen Maßnahmen zur Konjunkturbelebung gestritten und zwar vornehmlich zwischen den beiden Unionsparteien. Immerhin, vor Jahresfrist hätten Politiker das Wort „Konjunkturprogramm“ nicht einmal in den Mund nehmen dürfen ohne sich öffentlichem Gelächter auszusetzen. Die Finanzkrise hat es endgültig an den Tag gebracht: Der Markt reguliert sich eben nicht von selbst, er braucht den starken Staat, der die Regeln setzt und ihre Einhaltung überwacht. Frau Merkel müsste nun eigentlich im Büßerhemd wandeln und sich Asche aufs Haupt streuen. Hatte nicht sie vor vier Jahren ihrer Union ein Liberalala-Wahlprogramm reinsten Wassers verordnet? Wo stünde Deutschland heute, wenn 2005 der Wähler Schwarz-Gelb nicht verhindert hätte? Wenn Frau Merkel mit Herrn Westerwelle, wie im Wahlkampf angekündigt, den Finanzsektor vollständig dereguliert hätte? Der politische Arm der flotten Jungs von der Wall Street, die FDP, müsste sich eigentlich überhaupt auflösen und offen zugeben, dass sich ihre fast einzig verbliebene Programmatik, der marktradikale Neoliberalismus, schlicht als falsch herausgestellt hat: „Sorry, liebe Leute, wir haben uns geirrt. So einfach ist die Sache mit dem Markt nun doch nicht. Herr Eppler hat recht. Wir treten ab.“ Oder gibt es sie doch noch, die Partei, die sich die bürgerlichen Freiheiten auf die Fahnen geschrieben hatte, die Partei Dahrendorfs? Wenn ja, dann verbirgt sie sich gut. In offiziellen Verlautbarungen wird doch wie gehabt das Gespenst „Sozialismus“ beschworen: Gefahr gehe nicht vom Neoliberalismus aus, sondern von einem immer deutlicherem „Neosozialismus“ der großen Koalition, die ständig neue Aufgaben an sich reiße, wird die Landeschefin der Liberalen, Frau Homburger, im Schwabo vom 7. Januar 2009 zitiert. Und unverdrossen fordert die FDP die große neoliberale Steuerstrukturreform und -senkung, die den Staat arm und damit schwächer macht und hauptsächlich den Besserverdienenden zugute kommt. Dazwischen eiern die Unionsparteien, und mit ihnen Frau Merkel, zwischen den populistischen Steuersenkungsforderungen Seehofers und den Vorschlägen des Gelegenheitssozialisten Rüttgers nach Staatsbeteiligungen an strauchelnden Wirtschaftsunternehmen. Eine klare Linie, eine Idee, wie es grundsätzlich weitergehen soll, ist nicht zu erkennen. Frau Merkel, die ja bekanntlich lieber moderiert als führt, wartet wohl ab, ob es im Herbst für Schwarz-Gelb reicht. Die FDP hat schon deutlich gesagt, dass die Reise dann nicht in Richtung Regulierung der Märkte durch einen starken Staat gehen soll, sondern wie gehabt in Richtung „Staat Aushungern“. Im Hamburger Programm der SPD von 2007 liest man in der Einleitung: Der globale Kapitalismus häuft große Mengen an Kapital an, die aber nicht zwangsläufig neuen Wohlstand erzeugen. Entfesselte Finanzmärkte bringen Spekulation und Erwartungen hervor, die einer nachhaltigen und langfristig ausgerichteten Wirtschaftsweise entgegenstehen. Wo das einzige Ziel die schnelle und hohe Rendite ist, werden allzu oft Arbeitsplätze vernichtet und Innovationen verhindert. Kapital muss der Wertschöpfung und dem Wohlstand dienen. Und unter der Überschrift „Primat der Politik und Prinzip der Nachhaltigkeit“: Weil wir an diesem Ziel (Nachhaltigkeit) festhalten, bestehen wir auf dem Primat demokratischer Politik und widersprechen der Unterwerfung des Politischen unter das Ökonomische...... Für uns ist der Markt ein notwendiges und anderen wirtschaftlichen Koordinierungsformen überlegenes Mittel. Der sich selbst überlassene Markt ist jedoch sozial und ökologisch blind. Er ist von sich aus nicht in der Lage, die öffentlichen Güter in angemessenem Umfang bereitzustellen. Damit der Markt seine positive Wirksamkeit entfalten kann, bedarf er der Regeln, eines sanktionsfähigen Staates, wirkungsvoller Gesetze und fairer Preisbildung. Der Kanzlerkandidat der SPD, Frank-Walter Steinmeier, hat einen Vorschlag für ein Konjunkturprogramm gemacht (PDF zum Download), der den Grundsätzen des Parteiprogramms gerecht wird und in die richtige Richtung geht. Einerseits soll die Kaufkraft der Familien und Menschen mit geringem Einkommen gestärkt werden, andrerseits soll gezielt über die Kommunen in Infrastruktur und Bildung investiert werden. Natürlich wird die SPD diesen Vorschlag nicht Eins zu Eins in der großen Koalition durchsetzen können. Das Konjunkturpaket II, das wohl nächste Woche geschnürt wird, wird wie immer ein politischer Kompromiss. Kompromiss ist die Geschäftsgrundlage einer Koalition. Der marktradikale Neoliberalismus ist noch keineswegs erledigt, er versteckt sich nur. Er hat verbal abgerüstet, um die Krise auszusitzen und zu warten, bis sie auf Staatskosten und unter Belastung zukünftiger Generationen überwunden ist. So schmerzhaft sie auch wird, bietet sie aber doch die Chance, die Dinge zurechtzurücken, die in den letzten Jahrzehnten unter der ideologischen Vorherrschaft des Neoliberalismus schief gelaufen sind. Wir brauchen eine Neuordnung des Weltwirtschaftssystems, die solche Krisen verhindert und den Markt sozial macht. Diese Neuordnung ist natürlich schwierig und Deutschland allein kann sie nicht wirkungsvoll umsetzen. Dies geht nur im internationalen Rahmen und unter Abstimmung mit den Partnerländern in der EU. Die Globalisierung kann nicht, wie die Linke es gerne hätte, einfach zurückgedreht werden. In den Wahlen des Jahres 2009 werden daher wichtige Weichen gestellt:
  • Die Abgeordneten der CDU/CSU und FDP im Europäischen Parlament verweigerten noch im Herbst, als die Finanzkrise sich schon mit voller Wucht entfaltet hatte, rigorose Kontrollen der Banken und Ratingagenturen. Sie scheinen (noch) nicht dazu gelernt zu haben. Aber für die EU steht mehr auf dem Spiel. Europa ist weit mehr, als ein Bündnis von Wirtschaftspartnern, mehr als ein großer Binnenmarkt. Die Integration der Märkte ist unter dem Druck des gemeinsamen Binnenmarktes und der Globalisierung weiter vorangeschritten als die soziale Integration. Es ist an der Zeit, dem Projekt Europa eine neue soziale Dimension zu geben und das Prinzip der sozialen Marktwirtschaft in der ganzen Union zu verankern.
  • Auch im Bund geht es um die Wahl zwischen sozialer Marktwirtschaft oder Neoliberalismus. Es geht um den starken Staat, der die Märkte durch Rahmenbedingungen kontrolliert und reguliert, und die öffentlichen Grundgüter im angemessenen Umfang bereitstellt. Die Alternative ist der radikale Markt, das neoliberale Modell, bei dem der Staat ausgehungert und staatliches Handeln dem Shareholder Value untergeordnet wird.
  • In den Kreisen, Kommunen und Städten wird es darauf ankommen, den Trend der vergangenen Jahre zu stoppen, immer mehr kommunale Einrichtungen und Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge zu privatisieren. Auch hier bei uns im Kreis Calw gibt es Beispiele: Erst vor kurzem wurden die Stadtwerke von Calw und von Bad Wildbad an den ENBW-Konzern angeschlossen. Zwar sind Calw und Bad Wildbad noch mit Mehrheit an den lokalen Unternehmen beteiligt, deren Form ist aber die eines Privatunternehmens und das hat Konsequenzen. In Altensteig verhinderte eine knappe Mehrheit aus SPD und Freien Wählern gegen die Absicht der Verwaltung die Privatisierung der Stadtwerke. Der Kreis Calw ist an einem der Cross-Boarder-Leasing Geschäfte beteiligt (Restmüllheizkraftwerk Böblingen), die in jüngster Zeit in Verruf geraten sind. Es bleibt abzuwarten, was dieses Geschäft den Kreis noch kosten wird, billig wird es auf jeden Fall nicht.
Es geht also in den kommenden Wahlen um eine ganze Menge. Insbesondere geht es darum, ob man bereit ist, aus der Krise zu lernen und Konsequenzen zu ziehen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein gutes Jahr 2009 und gute (Wahl-)Entscheidungen. Ganz herzlich Dipper Richard Dipper
 

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