Kommentar der Woche: Die Ganztagsschule ist deutsche Realität…

Veröffentlicht am 30.03.2008 in Politik
Dipper

31. März 2008

…..und zwar schon lange. Vormittags in der Schule wird den Kindern und Jugendlichen der Stoff vorgestellt, Arbeitsaufträge werden erteilt und Leistungen werden in Tests und mündlichen Abfragen überprüft. Nachmittags ist dann zu Hause individuelles Fordern und Fördern angesagt. Heerscharen von gut ausgebildeten Müttern verzichten nicht selten auf eigene Berufstätigkeit und übernehmen den Job der Hilfslehrerin der Nation. Sie bereiten mit ihren Sprösslingen den Schulstoff nach, helfen bei den Hausaufgaben und bimsen mit ihnen auf Klassenarbeiten. Wenn nötig helfen Väter dann (in der Regel nach Feierabend) auch noch aus.

Nicht erst im Gymnasium, sondern schon in der Grundschule werden mit Hausaufgaben, Nachbereitung des Schulstoffs und Vorbereitung auf Klassenarbeiten Anforderungen an die Familien gestellt, die Kinder und Eltern belasten und nicht selten zu familiären Krisen führen. Sind die Eltern mit diesen Aufgaben überfordert, wird der private Teil der Ganztagsschule, soweit sie es sich leisten können, durch Nachhilfe organisiert. Der Nachhilfemarkt boomt und expandiert.

Regelmäßig wird den Deutschen von der OECD bescheinigt, dass sie mit ihren öffentlichen Ausgaben für die Bildung im internationalen Vergleich weit unten rangieren. Berücksichtigt man freilich auch die privaten Ausgaben, dann stellt sich dies schon anders dar. Denn die Deutschen, vornehmlich die Betuchteren, lassen sich die halbprivate Ganztagsschule für ihre Kinder viel kosten. Nicht nur gute Nachhilfe ist teuer, sondern auch zusätzliche Bildung wie beispielsweise Musikunterricht, Sport und Ballettstunden, in die deutsche Eltern massiv investieren. Rechnet man jetzt noch die unbezahlte Sachleistung „Individuelle Förderung in der Nachmittagsschule zu Hause“ mit ein, die zahlreiche Eltern, insbesondere die Mütter für ihre Kinder erbringen, so können sich die deutschen Bildungsausgaben im internationalen Vergleich durchaus sehen lassen.

Das Ganze hat aber einen gravierenden Schönheitsfehler: Diese Investitionen in die Zukunft der Kinder kommen nicht allen Kindern zugute. Nur die Kinder von betuchteren Eltern kommen in den Genuss von teurer Nachhilfe und zusätzlichen kostenträchtigen Bildungsangeboten. Und nicht alle Eltern sind in der Lage, ihren Sprösslingen nachmittags den privaten Teil der deutschen Ganztagsschule in Form individueller Förderung zukommen zu lassen. Gerade die Kinder, die die meiste Förderung benötigten, gehen leer aus.

Es liegt auf der Hand, dass darin einer der Hauptgründe für die hohe soziale Selektivität des deutschen Schulsystems liegt, die uns immer wieder in internationalen Vergleichsstudien bescheinigt wird. Der Bildungserfolg unserer jungen Leute hängt hierzulande eben in hohem Maße vom Geldbeutel der Eltern ab und weniger von Talent und Begabung.

Die flächendeckende, öffentliche, verbindliche Ganztagsschule könnte dazu beitragen, die Chancenungleicheit im deutschen Schulsystem zu überwinden. Hier könnten alle Kinder professionell und individuell gefördert werden. Zusätzliches wie Musik, Sport und Ballett könnte im Bildungsangebot der Ganztagsschule mit integriert werden und käme allen Kindern zugute. Auch die Kinder der Mittel- und Oberschicht profitieren, wenn Schule der Ort wird, an dem nicht nur Lernen sondern auch Leben stattfindet.

Hartmut von Hentig, der Gründer der Laborschule Bielefeld, sagt in der Dokumentation „Treibhäuser der Zukunft, Wie in Deutschland Schulen gelingen“ von Reinhard Kahl: "„Ich habe immer gefunden, dass die Ganztagesschule eine riesige Veränderung, vielleicht der durchgreifendste Reform-Impuls wäre, den wir haben könnten. Wir haben die unsinnige Aufteilung von Belehrung durch Unterricht und Leben. Und für das Zweitgenannte ist die Familie da. Die andere Aufgabe der Schule “ to be a place for kids to grow up in“, wird durch die Ganztagesschule ermöglicht und eingefordert. Es geht darum, dass sich das Leben und das Lernen gegenseitig anregen und fordern.“

Übrigens: Der Kreisverband und die Ortsvereine Calw und Stammheim werden die halbstündige Kurzfassung der Dokumentation „Treibhäuser der Zukunft“ im Rahmen einer Informations-Veranstaltung mit dem Titel „Eine bessere Schule – jetzt!“ am 17. April 2008 im Foyer des Hermann-Hesse-Gymnasiums in Calw vorführen.

Ganz herzlich
Dipper
Richard Dipper

 

Homepage SPD Kreis Calw

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