Kommentar der Woche: Das bayrische St. Floriansprinzip

Veröffentlicht am 31.08.2008 in Politik

31.8.2008

"Atomkraft ja bitte. Atommüll nein danke."

Das ist das St. Floriansprinzip auf bayrisch. Dies machte am 3. August der CSU-Chef Erwin Huber im Bericht aus Berlin klar. Er setzte sich für eine Verdoppelung der Laufzeiten der bestehenden Atomkraftwerke in Deutschland ein und schloss auch den Neubau von AKWs nicht aus. Auf die Frage, ob er dann auch eine Endlagerstätte für den strahlenden Müll in Bayern akzeptiere, zeigte er ganz schnell mit dem Finger nach Niedersachsen. Mit Gorleben habe Deutschland ja bereits ein Endlager.

Fakt ist, auf der ganzen Welt gibt es kein sicheres Endlager für hochradioaktiven Müll. Auf die Frage, wohin man mit der strahlenden Hinterlassenschaft für die nächste Million Jahre soll, verweigern die Atomkraftanhänger bisher jede Antwort. Vor einer Million Jahren streifte gerade mal unser Vorfahr Homo Erectus durch die Wälder Bayerns, dann kam noch der Homo Heidelbergiensis und erst dann vor etwa 400 000 Jahren gab es den Homo Sapiens in Germanien, während daneben vor etwa 120 000 Jahre der Neandertaler Düsseldorf unsicher machte. Eine Million Jahre ist eine lange Zeit, da kann viel passieren, selbst vor geologischen Veränderungen ist man nicht sicher.

Die Experten stellen sich vor, dass hochradioaktive Abfälle mehrere hundert Meter unterhalb des Grundwassers ohne Rückholmöglichkeit versenkt d.h. endgelagert werden. 1977 wurde der Salzstock Gorleben als Standort für ein Endlager bestimmt ohne dass eine einzige unterirdische Untersuchung stattgefunden hatte. Probebohrungen im Jahr 1981 ergaben, dass sich über dem Salzstock in Gorleben keine durchgehende Tonschicht befindet, die als schützende Barriere zwischen Grundwasser und Salzstock dienen könnte. Dies ist aber unabdingbar, wenn man nicht Gefahr laufen will, dass radioaktives Material ins Grundwasser gelangt. Statt Gorleben aufzugeben, wurden die Ergebnisse der Probebohrungen ignoriert und die Sicherheitskriterien für ein Endlager gelockert.

Direkt über dem Salzstock von Gorleben wurde ein oberirdisches Zwischenlager eingerichtet. Dorthin rollen seit 1995 Castorbehälter mit hochradiaktiven Müll. Im Zuge des Ausstiegsabkommens mit der Stromwirtschaft wurde ein Erkundungsmoratorium vereinbart, das 2010 ausläuft. Umweltminister Gabriel sucht weiter nach dem bestgeeigneten Standort für ein Endlager, während die Unionsparteien auf Gorleben setzen. Ein nach dem Atomgesetz von 1978 gesetzlich erforderlichen Planfeststellungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung fand für Gorleben bisher noch nicht statt.

Niedersachsen hat allerdings bereits ein Endlager, zwar nicht für hochradioaktiven Atommüll, aber für schwach- und mittelradioaktiven Müll: Asse bei Wolfsbüttel. Auch hier handelt es sich um ein Salzbergwerk, bestehend aus drei Schachtanlagen Asse I, II und III. Die Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung (GSF) erwarb in 1965 Asse II im Auftrag der Bundesregierung, um hier Versuche zur Lagerung von Atommüll durchzuführen. Offiziell handelt es sich um eine Versuchsanlage, d.h. die Rückholbarkeit des Atommülls wird vorausgesetzt. Die GSF begann mit der Einlagerung von Fässern mit schwachradioaktivem Atommüll in 750 Meter Tiefe, ohne eine Sicherheitsnachweis für das Grubengelände vorzulegen.

Von 1967 bis 1978 wurden rund 125.000 Fässer mit schwach radioaktivem Abfall eingelagert, dazu 1.300 Fässer mit mittelaktivem Abfall. Dieser enthält unter anderem 23 kg hochgiftiges Plutonium. Bei diesem Gift reicht schon das Einatmen von wenigen Millionstel Gramm, um Krebs zu erzeugen. Die Strahlung, die von dem eingelagerten Müll ausgeht, wird in einer Million Jahren noch immer mehr als eine Billion Becquerel betragen.

Bevor ich es vergesse: Asse I und III waren durch Wassereinbrüche schon abgesoffen bevor in Asse II Atommüll eingelagert wurde. Als 1994 in einem Gutachten festgestellt wurde, dass auch in Asse II ein nicht mehr beherrschbarer Wassereinbruch möglich sei, wurde seit 1995 mit der Verfüllung der Schachtanlage Asse II mit Salz begonnen. Von Rückholbarkeit war nicht mehr die Rede. Aus dem Deckgebirge, das über dem Salzstock liegt, dringt inzwischen Wasser ein und löst sich Wege durch das Salz frei. Ab 1998 sind es mehr als 10 000 Liter am Tag, die in das Bergwerk strömen und die die Wände immer maroder machen.

Inzwischen befindet sich im „Forschungsbergwerk“ radioaktive Lauge, die die zulässigen Grenzwerte um das Acht- bis Neunfache überschreitet und Cäsium-137, radioaktives Strontium sowie Radium enthält. Experten wollen keine Prognosen für die Standsicherheit von Asse II nach dem Jahr 2014 abgeben. Die Betreiber wollen den Berg mit einer Magnesiumchlorid-Lösung fluten. Rückholung des Mülls wäre dann definitiv ausgeschlossen. Eine Task Force aus dem Forschungs- und dem Umweltministerium soll nach einer Krisensitzung im Juni über den Sommer einen Bericht zur Lage in Asse erstellen.

Asse II lehrt insbesondere, dass man den Beteuerungen der Betreiber nicht so ohne weiteres Glauben schenken darf. Umso vorsichtiger muss ein Endlager für den hochradioaktiven Müll aus unseren AKWs ausgesucht werden. Es muss sicher gestellt sein, dass so ein Mist wie in Asse II nicht wieder passiert. Es dürfen nicht wieder vollendete Tatsachen geschaffen werden, bevor die Sicherheit vor dem strahlenden Müll auf Hunderttausende von Jahren absolut gewährleistet ist. Der Standort Gorleben als Endlager ist keineswegs genügend untersucht.

Tausende von Tonnen von hochradioaktivem Atommüll werden zurzeit zwischengelagert. Das Problem der Endlagerung drängt, ein geeigneter Platz für ein Endlager muss gefunden werden. Ich kann sehr gut verstehen, dass Herr Huber den Strahlenmüll nicht in seinem CSU-Land haben will, sondern möglichst weit fort, mindestens so weit wie Niedersachsen.

Aber wer A wie Atom sagt muss auch bereit sein, die Konsequenzen zu tragen. Und diese sind hier, dass der schon produzierte und noch anfallende strahlende Müll irgendwo sicher vergraben werden muss, wenn es sein muss in Bayern. Da ist es sicher eine gute Idee, die Menge von Müll, die man noch produziert, so gering wie möglich zu halten. Aber Herr Huber will sie mehr als verdoppeln, indem die Laufzeit der alten AKWs verdoppelt wird und neue gebaut werden. Das ist eben das bayrische Floriansprinzip: Mehr AKWs und damit mehr Müll, aber andere sollen sehen, wohin damit.

Es gibt übrigens eine ganze Reihe von möglichen Standorten, auch bei uns in Baden-Württemberg im Raum Ulm/Riedlingen und im Landkreis Konstanz. Dies wurde in einer Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe vor zwei Jahren festgestellt. Es könnte also auch uns treffen.

Atommüll ist ein Grund, am Atomausstieg festzuhalten. Es gibt viele weitere, sehr gute Gründe, mit dem Unfug der AKWs so schnell wie möglich Schluss zu machen. Dies ist aber eine andere Geschichte und soll ein andermal kommentiert werden.

Ganz herzlich
Dipper
Richard Dipper

 

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