"Eine bessere Schule - jetzt!"

Veröffentlicht am 21.04.2008 in Veranstaltungen

Die Veranstaltungsreihe „Bildungsaufbruch“ des SPD-Kreisverbandes Calw wurde am 17. April 2008 im Forum am Schießberg (Hermann-Hesse-Gymnasium – Foyer) in Calw fortgesetzt.

In der ersten Veranstaltung zu dem Themenkreis hatte der Brief der 100 Rektoren aus Oberschwaben gestanden, in dem diese dargelegt hatten, dass das dreigliedrige Schulsystem weder den individuellen Bedürfnissen von Schülern und Schülerinnen, noch den Erfordernissen einer modernen, demokratischen Industrie – und Dienstleistungsgesellschaft gerecht wird. Eine andere, bessere Schule war die Forderung.

Mit dieser Forderung, bzw. der Frage, was eine bessere Schule konkret ausmache, befasste sich diese zweite Veranstaltung. Was für anderen Strukturen und Organisationsformen sind erforderlich, um Schulen und Unterricht besser zu machen? Was für eine Pädagogik? Was für Schulstrukturen? Was muss die Politik tun?

In seinem einführenden Impulsreferat versuchte zunächst Helmut Sperth, Grund- und Hauptschulrektor in Schömberg eine Beantwortung dieser Fragen.
Anschließend wurde der Dokumentarfilm von Reinhard Kahl „Treibhäuser der Zukunft – wie Schulen in Deutschland gelingen“ vorgeführt, der Schulen zeigt, in denen die neue Pädagogik funktioniert und neue Strukturen umgesetzt sind.

Dr. Rainer Prewo MdL und Oberbürgermeister von Nagold, befasste sich in seinem Referat vornehmlich mit den politischen Aspekten des Themas.

Zunächst präsentierte Helmut Sperth, Grund- und Hauptschulrektor in Schömberg „Gedanken über das Lernen“. Wie funktioniert Lernen überhaupt und wie in der Schule? Und was ist die Funktion des Lehrers? In der Schule werde von einem fiktiven Durchschnittsschüler ausgegangen, der Beschulungs-Objekt sei, so Sperth. Auf individuelle Unterschiede in den Lernvoraussetzungen oder beim Lerntempo werde keine Rücksicht genommen, so komme es oftmals zu Unter- wie zu Überforderungen.

Der Unterricht ist belehrend, Lehrerinnen füllen Schülerinnen mit Wissen ab, als gelte es leere Eimer zu füllen. Dabei käme die „bewährte Osterhasen-Pädagogik“ zum Einsatz: der Lehrer versteckt das Wissen hinter Fragen, mit deren Hilfe die Kinder in von vornherein festgelegten Schritten zum Wissen, zum „Auffinden“ der Lerninhalte geführt werden. Lernen sei aber kein passiver Vorgang, sondern ein immerwährender Prozess in dem Schüler und Schülerinnen sich Lehrinhalte aktiv durch Forschen, Entdecken und praktisches Arbeiten aneignen. Lehrer seien dabei Lernbegleiter, ihre Aufgabe sei Hilfestellung geben, letztlich steuerten die Kinder aber ihre Lernprozess selbst.

Diese andere Pädagogik erfordere, dass die frühe Selektion der Kinder zugunsten eines längeren gemeinsamen Lernens aufgegeben werde. Die Individualität von Kindern und ihre unterschiedlichen Lernvoraussetzungen sollten als Vorteil und nicht als Nachteil gesehen werden. Es zeige sich, dass von dem gemeinsamen Lernen nicht nur die schwächeren, sondern auch die leistungsstarken Schüler profitierten.

Das gesamte Impulsreferat ist hier zu finden (PDF).

Es gibt auch in Deutschland Schulen, zum Teil schon sehr lange, so z.B. die Bielefelder Laborschule, in denen diese Pädagogik umgesetzt wird. Leider aber sind solche Schulen einzelne Pilotprojekte geblieben. Obwohl in diesen Schulen überdurchschnittlich erfolgreich gelernt wird - dies zeigt das Abschneiden der Schulen im oberen Drittel des Pisa-Tests (vergleichbar unter anderem mit Finnland) - ist eine flächendeckende Einführung an politischen Widerständen und Vorurteilen gescheitert.

Der Journalist, Autor, Regisseur und Produzent von Fernseh- und Videodokumentationen, Reinhard Kahl, hat über diese deutschen Reformschulen eine DVD-Dokumentation gedreht. Es wird eindrücklich gezeigt, das und wie andere, bessere Schulen gelingen. Die Menschen in ihnen, Lehrer und Lehrerinnen, Schülerinnen und Schüler sind nicht nur zufriedener, sondern auch erfolgreicher.

Die gesamte Dokumentation kann vom „Archiv der Zukunft“ im Internet unter http://www.archiv-der-zukunft.de bezogen werden.

Dr. Rainer Prewo schlug in seinem Referat den Bogen zur Tagespolitik. Im Landtag würde derzeit so oft über Schulen und Bildungspolitik diskutiert, wie seit Jahrzehnten nicht, so Prewo. Dies passiere vornehmlich, wenn Missstände wie Unterrichtsausfall und Lehrermangel, Schulabbrecher und Schul-schwänzer oder mangelnde Ausbildungsreife beklagt würden.
In der Tat weise das deutsche Schulsystem im internationalen vergleich eklatante Mängel auf. Das Handwerk beklage sich über mangelnde Ausbildungsreife, der Industrie fehlen Fachkräfte, z.B. Ingenieure, weil nicht ausreichend junge Leute zur Hochschule gingen.

Das dreigliedrige Schulsystem sei ein alter Zopf. Bei seiner Einführung nach dem ersten Weltkrieg sei es ein Abbild der damaligen Gesellschaft gewesen und hätte deren Bildungsansprüchen genügt. So sei eine gymnasiale Ausbildung für lediglich 5% eines Jahrgangs nötig gewesen. Der damalige allgemeine Wissensstand reiche aber für eine moderne nachindustrielle Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft nicht mehr aus. Die Lebenswelt der Schüler habe sich auch grundlegend gewandelt. Heute sei die Ein-Kind-Familie die Regel, oftmals mit einem alleinerziehenden Elternteil, viele Schüler hätten einen Migrationshintergrund. Die Bedeutung der Medien sei riesengroß. Vor diesem Hintergrund versage das dreigliedrige Schulsystem in zweierlei Hinsicht.

Zum einen sei es ungerecht, weil Bildungs- und Lebenschancen wie in keinem anderen Land von Bildungsnähe oder Ferne des Elternhauses und einem vordergründigem Begabungsbegriff abhingen. So werde argumentiert, dass eben nur etwa ein Drittel für die Höhere, ein Drittel für die Real- und ein Drittel für die Hauptschule befähigt sei. Abgesehen davon, das diese Zahlen längt verschoben seien, müsse daran erinnert werden, dass es auch mal hieß, Mädchen seien nicht für höhere Bildung, schon gar nicht für Mathematik und Naturwissenschaften befähigt. Auch dieses Vorurteil habe sich völlig überlebt.
Zu viele Jugendliche, gerade auch mit Migrationshintergrund verließen die Schule ohne Abschluss. Für diese sei es nahezu unmöglich einen Ausbildungsplatz zu bekommen.

Zum zweiten versage dieses Schulesystem gegenüber unserem Land und den Erfordernissen von Handwerk und Wirtschaft. Vor dem Hintergrund eines scharfen globalen Wettbewerbs könne sich ein ressourcenarmes Land wie Deutschland nur mit Investition in exzellente Bildung behaupten. Der Baden-Württembergische Handwerkstag habe bereit 2002 eine Reform des Bildungswesens, vor allem eine gemeinsame neunjährige Schulzeit angemahnt. Auch andere Wirtschaftsverbände schlagen Alarm. Die OECD- der Zusammenschluss der 30 wichtigsten Industrienationen der Welt- fordert das Mitglied Deutschland dringend zu Reformen auf.

Aber alles was bis jetzt passiert sei, so Prewo, sei halbherziges Stückwerk. Zwar erzwinge das G 8 mit Turbo-Abitur den nahezu täglichen Nachmittags-unterricht, aber um eine echte Ganztagsschule drücke man sich herum. Desgleichen werde ein gemeinsamer Unterricht von Haupt- und Realschulen erlaubt, aber das habe mit einer echten Gemeinschaftsschule auch noch nicht viel zu tun. Die SPD fordere daher eine echte Reform des Bildungswesens. Und ein Schulgesetz, das endlich die Ganztags- und Gemeinschaftsschule als ordentliche, reguläre Schulform festschreibt.

Die anschließende Diskussion wurde sehr engagiert geführt. Die zahlreichen Anwesenden waren Betroffene, Eltern und Elternvertreter, Lehrer und Schulrektoren. Die einhellige Meinung, dass Reformen dringend erforderlich und längst überfällig seien, kam überdeutlich zum Ausdruck.

Die nächste Veranstaltung der Kreis SPD in der Reihe „Bildungsaufbruch“ ist eine Podiumsdiskussion zum G8. Sie findet statt am 27. Mai 2008 in Nagold. Dazu wird jetzt schon herzlich eingeladen.

 

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