Kontra, Re und Bock!

Veröffentlicht am 20.04.2008 in Kontra

Nein, es ist wirklich wahr: das Thema Bildung, das Thema Schule hat es verdient, dass man genauer hinschaut, dass man sich nicht von einfachen Wahrheiten, um nicht zu sagen Plattitüden blenden lässt. Das will ich gerne einmal aufgreifen.

Von ungezogenen Gören zu reden, wenn es um den Erziehungsauftrag der Schule geht, ist ein altes Lied, das gerne als Keule gegen allzu engagierte Eltern geschwungen wird. Ja, unsere Kinder sind heute schwieriger zu erziehen. Man gesteht ihnen schon in jungen Jahren zu, zu hinterfragen, was sie nicht verstehen, aufzubegehren, wo sie sich (oder andere) ungerecht behandelt fühlen und sich einzumischen, wenn es um ihre Belange geht. Ich bin ganz froh darüber, auch wenn es nicht immer bequem ist.

Wollen wir wirklich noch glauben, eine moderne Gesellschaft von mündigen Staatsbürgern könne entstehen, wo wohlerzogene, im Gleichschritt funktionierende Kinder sich im Vormittagsunterricht die ihnen zugestandene Portion Wissen eintrichtern lassen? Die Bildung vom Kleinkind zum mündigen Staatsbürger, der in der Lage ist, sich selbst eine Meinung zu bilden, der wissen will, wie die Strukturen der Gesellschaft sein Leben bestimmen, der in der Lage ist, sein Leben in die Hand zu nehmen, kurz gesagt: Persönlichkeitsbildung, das ist der Bildungsauftrag der Schule.

Und dazu brauchen wir den Geist der neuen Bildungspläne, neue Inhalte, neue Kompetenzen und neue Methoden. Und die Schulen, die heute viel selbständiger und flexibler ihre Lehr- und Lernbedingungen gestalten müssen, benötigen dringend sowohl eine professionelle Organisation also auch ein gut funktionierendes Qualitätsmanagement. Dass für das alles nicht nur die Kompetenzen, sondern auch das nötige Geld zur Verfügung gestellt werden muss, ist uns doch allen klar.

Wie selbstverständlich und ungeniert wird der unterschiedliche Erziehungsauftrag der verschiedenen „Schulstufen“ angeführt. Genau hier wird deutlich, wohin unsere „gestufte“ Schulstruktur gehört: auf den Müllhaufen der Geschichte! Denn genau diese Schulstruktur zementiert die Verteilung der Bildungschancen und damit die Besitzverhältnisse in unserer Gesellschaft.

Kinder mit Erziehungsbedarf gehören also auf die Hauptschule, die kann man auf dem Gymnasium nicht gebrauchen? Die Eltern haben in ihrer wirtschaftlichen oder persönlichen Situation und mit ihrem eigenen Bildungshintergrund in der Erziehung ihrer Kinder versagt, warum sollte den Kindern dann eine ihren Fähigkeiten entsprechende Bildung zugestanden werden?

Nein, das können wir auf diesen Seiten nicht unwidersprochen stehen lassen.

Zu den Binsenweisheiten gehört ja wohl auch, dass Schüler mit einem höheren „IQ“ und einer höheren „Anstrengungsbereitschaft“ (man sagt auch Motivation) bessere Erfolgsaussichten haben. Sollen aber nicht alle unsere Kinder eine Bildung und Erziehung erfahren, die sie in ihren Fähigkeiten bestärkt, die ihnen Mut macht und sie zuversichtlich in die Zukunft blicken lässt?

Dann lasst uns den Wahnsinn beenden, dass in unseren Schulen die Grundschüler schon signalisiert bekommen, wo sie in der Gesellschaft hingehören.

Die Förderung der „Eigenschaft“ Motivation funktioniert nämlich, auch das eine ganz alte Weisheit, nur in der Abwesenheit von Demotivation. Und ich kann mir als Mutter dreier Kinder und nun zum dritten Mal Mutter eines Viertklässlers kaum etwas Demotivierenderes vorstellen, als 10 oder 11 Jahre alt zu sein und nicht zum Kreis der Auserwählten mit der richtigen Grundschulempfehlung zu gehören. Wohingegen die Förderung der Freude am Lernen gar nicht früh genug beginnen kann, gerne schon im Kindergarten. Und dort kann mit dem notwendigen Maß an Förderung auch – behutsam – damit begonnen werden, die Verteilung der Bildungschancen gerechter zu gestalten.

Wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Hirnforschung machen deutlich, wie schädlich Stress und negative Emotionen wie Scham und Versagensängste sich auf den Lernprozess auswirken. Deshalb benötigen unsere Schüler eine Schule, die Lern- und Lebensraum für sie ist, wo sie zu Hause sind, wo sie angenommen werden und sich gefordert und gefördert fühlen und nicht getriezt und gehetzt.

Die Schüler brauchen Zeit für ihre Bildung, wenn es denn Persönlichkeitsbildung sein soll und nicht nur Wissensvermittlung. Und deshalb ist die Ganztagsschule der einzig richtige Weg. Auch die im europäischen Vergleich zu niedrige Erwerbsquote unserer Frauen, insbesondere der gut ausgebildeten Mütter, macht eine Ganztagsschule unabdingbar.

Hier hat die „25-jährige eingehende Beobachtung des Grundschulbetriebs“ zu einem schier unerträglichen Maß an Überheblichkeit und Zynismus geführt. Und zu einem in einschlägigen Kreisen weitverbreiteten Abwehrreflex gegen alles, was da von außen in die liebgewordenen Gewohnheiten hineinregiert: engagierte Bildungspolitiker, interessierte Eltern, ungezogene Kinder (in dieser Reihenfolge).

Das kennen wir: „Jetzt unterrichte ich schon seit 30 Jahren das Gleiche, da müssen die mir doch nicht erzählen, wie das auch anders geht.“

Da kann ich nur sagen: Willkommen in der Moderne!

Saskia Esken
Bad Liebenzell

 

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