Kommentar zum 1. Mai: Rentnerdemokratie und Generationenkonflikt

Veröffentlicht am 01.05.2008 in Politik

Letzte Woche ging wieder einmal ein Ruck durchs Land: Altbundespräsident Roman Herzog meinte vor einer heraufziehenden „Rentnerdemokratie“ warnen zu müssen. Er sah die Gefahr heraufziehen, dass die Älteren die Jüngeren ausplündern.

Auslöser war der Plan der Bundesregierung, durch Aussetzen des sogenannten Riesterfaktors (was immer das ist) in der Rentenformel den Rentnern dieses Jahr eine Rentenerhöhung von 1,1 Prozent anstatt 0,54 Prozent zukommen zu lassen, (bei einer derzeitigen Inflationsrate, die sich der Drei vor dem Komma gefährlich nähert, wohlgemerkt).

Das Presseecho war gewaltig, in den Zeitungen, auch im Schwarzwälder Boten, tobten Leserbriefschlachten. Rentner erinnerten an die jüngsten Diätenerhöhungen, an denen gemessen die geplante Rentenanhebung sehr bescheiden ausfällt, Gegner rechneten vor, was diese Erhöhung die arbeitende Bevölkerung koste.

Junge Abgeordnete aus allen Fraktionen schlugen Alarm. Sie sahen das Wohl zukünftiger Generationen gefährdet. CDU-Neumitglied und CDU-Bundestagsaspirant Oswald Metzger sah gar den „Generationenkrieg“ heraufziehen, (ob die CDU wirklich die richtige politische Heimat für Herrn Metzger ist?). Und, wie gesagt, Roman Herzog warnte vor der Ausplünderung der Jungen durch die Alten.

Der schwarze Gelegenheitssozialist aus dem Norden, Jürgen Rüttgers, sah seine Chance und setzte noch Eins drauf. Er forderte eine Art Mindestrente, die deutlich über Hartz IV Niveau liegt, (zumindest läuft sein Vorschlag darauf hinaus). Das brachte zwar seine Partei, die CDU, und die Kanzlerin ins Schleudern, aber nicht wirklich Licht ins Dunkel.

Das Problem ist, dass alle irgendwie ein bisschen recht haben. Die Alten, weil sie jetzt schon seit einigen Jahren inflationsbereinigt sinkende Einkommen in Kauf nehmen müssen und an ihnen bisher der Aufschwung vorüberging. Die Jungen, weil sie zu Recht befürchten, das willkürliche Drehen an der Rentenformel zu Wahlzeiten mache schnell Schule. Und sogar Rüttgers hat ein bisschen recht, denn eines ist klar: Wenn schon jetzt Millionen von Erwerbstätigen von ihrer Ganztagesarbeit nicht leben können, werden sie erst recht später von ihren Renten nicht leben können, weil sich deren Höhe dann unter Anderem nach der Höhe der jetzt eingezahlten Beiträge richtet. Wir haben jetzt noch kein spezielles Altersarmutsproblem, das Risiko für Rentner heute in Armut leben zu müssen ist immer noch wesentlich geringer als das von Erwerbstätigen. Es ist aber absehbar, dass sich dies ändert.

Es würde den Rahmen hier sprengen, alle Facetten des Rentenproblems ausleuchten zu wollen. Ich beschränke mich deshalb auf einige grundsätzliche thesenhaft formulierte Überlegungen:

• Zu jedem Zeitpunkt lebt die ganze Gesellschaft von dem, was ein Teil, nämlich die Gruppe der Erwerbstätigen produziert. Die Alten und die ganz Jungen sind darauf angewiesen, dass diese Gruppe sie ernährt, kleidet, mit sonstigen Konsumgütern versorgt und die notwendigen Dienstleistungen bereitstellt. Daher kann man aus dem Generationenvertrag nicht aussteigen, wir haben es nicht mit einem Vertrag, sondern mit einer naturgegebenen Schicksalsgemeinschaft zu tun. Es ist Unfug, mit Begriffen wie „Generationenkrieg“, „Rentnerdemokratie“ oder Ähnlichem herumzufuchteln.

• Die Rentensysteme (ob kapitalgedeckt oder umlagefinanziert) haben eine Umverteilungsfunktion: Sie nehmen von den Erwerbstätigen und geben denjenigen, die zu alt sind um erwerbstätig zu sein. Dabei soll es gerecht zugehen. Für Gerechtigkeit soll die Rentenformel sorgen. Dass sie dies nur unzulänglich tut, ist unbestritten.

• Unsere Gesellschaft wird immer reicher, die Produktivität der Erwerbstätigen nimmt dank des technischen Fortschritts stetig zu. Daher produzieren wir insgesamt Jahr für Jahr mehr Güter und Dienstleistungen, obwohl unsere Bevölkerung nicht mehr wächst, sondern sogar abnimmt. Dies wird sich auf absehbare Zeit nicht ändern. Der demografische Faktor bewirkt aber, dass die erwerbstätige Bevölkerung erheblich zurückgeht, während die Zahl der Rentner und Pensionäre stark steigt. Dies bedeutet, dass immer weniger Erwerbstätige immer mehr Rentner mit finanzieren müssen. Dennoch, bei wachsendem Reichtum der Gesamtgesellschaft sollte es eigentlich kein Problem sein, dass Alle daran teilhaben, d.h. dass der Lebensstandard für Alle steigt.

Wir beobachten aber, dass keineswegs Alle am zunehmenden Reichtum der Gesellschaft teilhaben. Im Gegenteil, es sind nur Wenige. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auf, das Rückrat der Gesellschaft, der Mittelstand schrumpft signifikant, einige Wenige steigen auf, sehr Viele sinken ab in Armut. Und darin liegt aus meiner Sicht der Kern des Problems. Wir müssen diesen Trend umkehren. Unabdingbar dafür ist erstens, dass jeder, der Vollzeit beschäftigt ist, von dem Lohn seiner Arbeit leben kann und zweitens, dass seine eingezahlten Rentenbeiträge dann später für eine anständige Rente reichen.

Der erste Schritt sollte daher sein, Mindestlöhne gesetzlich festzulegen. Zurzeit subventionieren wir mit Steuermittel zunehmend Dumpinglöhne. Als Konsequenz ist abzusehen, dass dann später mehr und mehr Renten ebenso mit Steuermitteln auf Hartz IV Niveau aufgestockt werden müssen. Denn die eingezahlten Beiträge aus Niedriglöhnen sind zu gering, um zu ausreichenden Renten zu kommen.

Die Rentenformel muss so ausgerichtet sein, dass bei anständigen Löhnen, die ihre(n) Frau/Mann ernähren später auch anständige Renten rauskommen, die Rentner(innen) vor Armut schützen. Sollte das jetzt nicht mehr der Fall sein, muss eben die Rentenformel neu gestaltet werden. Mathematisch dürfte das kein Problem sein, da bin ich mir ganz sicher, politisch schon.

Auf jeden Fall, mal eben kurz an der Rentenformel zu drehen und einen kleinen Faktor zeitweilig auszusetzen, um ihn später wieder reinzuholen, ist unseriös und keinesfalls nachhaltig. Wir brauchen aber nachhaltige Lösungen. Denn es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als die Renten sicher zu machen.

Ganz herzlich
Dipper
Richard Dipper

 

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