Das achtjährige Gymnasium in Baden-Württemberg – ein guter Ansatz wird kaputtgespart!

Veröffentlicht am 22.05.2008 in Politik
Saskia Esken
Saskia Esken, SPD-Ortsvereinsvorsitzende Bad Liebenzell

22. Mai 2008

Gute Bildung für alle, das ist die elementare Grundlage unserer Teilhabe an der Zukunft. In anderen Bereichen versickern milliardenschwere Subventionen im Ungewissen, in die Bildung gesteckt, wären sie überlebensnotwendige Investitionen in unsere Zukunft. Und doch kommt in Deutschland die dringend notwendige Erneuerung der Bildungslandschaft nicht voran.

Gute Ansätze in der Bildungspolitik werden mit besten finanziellen und personellen Rahmenbedingungen im Modell erprobt. Wenn es daran geht, das positiv evaluierte Modell auf die Fläche auszudehnen, ist die Politik leider nicht bereit, die notwendigen Investitionen bereitzustellen. Warum nur bleiben die erwarteten positiven Effekte aus, warum knirscht und quietscht es an allen Ecken und Enden? Mit der Einführung des achtjährigen Gymnasiums in Baden-Württemberg sollte nicht nur der gymnasiale Bildungsgang von 9 auf 8 Schuljahre verkürzt werden. Mit neuen, innovativen Bildungsplänen sollte ein Paradigmenwechsel in der Unterrichtskultur vollzogen werden. Unterricht sollte sich von der Stoffvermittlung nach Lehrplan zum zunehmend eigenständigen Kompetenzerwerb der Schüler wandeln. Es wäre eine Zeit des Ärmelaufkrempelns an den Schulen gewesen. Gymnasiallehrer hätten motiviert werden können, sich die neuen Bildungspläne gemeinsam in Fortbildungen, Fachschaftssitzungen und Konferenzen zu erschließen, Schulcurricula auszuarbeiten und in neuen Unterrichtsmethoden zu erproben. Elternvertreter und SMVen hätten ein neues Maß an Mitverantwortung zu verkraften gehabt bei der Verabschiedung von Kontingentstundentafeln und Poolstundenverwendung, Schulleitbildern oder pädagogischen Konzepten. Viele haben die Ansätze von Bewegung, die die Gymnasien erfasst haben, mit großem Interesse und Spannung verfolgt. Leider hat die Bildungspolitik in Baden-Württemberg die Einführung des achtjährigen Gymnasiums von Anfang an verhunzt. In dieser Zeit des zusätzlichen Engagements wurde die Lehrerwochenarbeitszeit erhöht. Wie vielen Lehrern ging da wohl motivationstechnisch erst mal die Luft aus? Schon in den Jahren zuvor hatten leere Kassen in den Haushalten der Bildungspolitiker wie der Schulträger dazu geführt, dass die Schüler in viel zu großen Wanderklassen in renovierungsbedürftigen Schulhäusern mit veralteten Schulbüchern und in schlecht ausgestatteten Fachräumen unterrichtet werden mussten. Wer hätte da nicht auf die durch den Wegfall eines ganzen Jahrgangs freiwerdenden Ressourcen gehofft? Keine Lehrerstelle, die durch den Rückgang der Schülerzahlen frei würde, sollte eingespart werden, so hatte der Ministerpräsident vollmundig versprochen. Diese Stellen sollten endlich der Qualität und Quantität der Unterrichtsversorgung zu Gute kommen. Stattdessen hat die Landesregierung einen eigenen Paradigmenwechsel vollzogen und die Haushaltskonsolidierung als oberstes Ziel entdeckt. Besagte Lehrerstellen sind gesperrt, durch die Arbeitszeiterhöhung für Referendare wurden weitere Stellen eingespart. Bei niedergehender Unterrichtsversorgung und nichtssagenden Antworten auf ihre Protestbriefe haben dann auch die Eltern das Vertrauen und die Lust verloren, sich einzusetzen für eine Entwicklung in den Schulen. Trotz dieser demotivierenden Politik, die immer wieder neue Reformen und Reförmchen durchs Dorf treibt, gleichzeitig aber der Bildung den finanziellen Boden entzieht, gibt es immer noch Lehrer, Schulleiter, Eltern und Schüler, die versuchen, an den Schulen eine neue Lernkultur zu verwirklichen. Welche Unterstützung benötigen diese Menschen und ihre Schulen von der baden-württembergischen Bildungspolitik? 1. Einstellung neuer Gymnasiallehrer für
  • pädagogisch ausgebildetes Fachpersonal in Übungs-, Vertiefungs- und Förderstunden
  • die Senkung des Klassenteilers für den sinnvollen Einsatz moderner Lehrmethoden
  • Co-Teacher überall da, wo Lehrmethode oder Differenzierung es verlangen
  • eine fachspezifische Vertretungsreserve – der Einsatz von Nebenlehrern scheitert heute nicht mehr am Budget für deren klägliche Bezahlung, sondern am Mangel an geeigneten und gewillten Personen
2. Umfassende, stetige und verbindliche Fortbildung der Lehrer für
  • die Entwicklung vom Lehrer zum Lernbegleiter
  • pädagogische Kompetenzen wie Gesprächsführung und Klassenmanagement
  • die Umsetzung der neuen Bildungspläne
  • moderne Methoden der Leistungsmessung
3. Mehr Coaching für Berufsanfänger im Lehramt 4. Mehr, bessere, motivierendere Lehrerausbildung – viel zu viele Studenten geben an, eigentlich gar keine Lust zum Unterrichten zu haben 5. Entlastung für die Schulleitungen und Fortbildungen in Führungsaufgaben und Organisationsarbeit, Schulentwicklung und Qualitätssicherung 6. Ausbau der Studienplätze an den Universitäten für eine wenigstens dem europäischen Durchschnitt entsprechende Studierquote, insbesondere aber auch im Hinblick auf den doppelten Abiturjahrgang im Jahr 2012. Im Jahr 2011 werden in Bayern und Niedersachsen insgesamt ca. 60.000 Schüler zusätzlich ihr Abitur machen, in 2012 in Baden-Württemberg, Berlin und Bremen etwa 30.000, in 2013 in Nordrhein-Westfalen und Hessen nochmals ungefähr 70.000 Schüler. Was haben die Landesregierungen, was hat die Kultusministerkonferenz bisher unternommen, um diesen 160.000 zusätzlichen Abiturienten eine Perspektive für ihre berufliche Zukunft zu bieten? 7. Unterstützung der Schulträger bei der Bereitstellung von ausreichendem Schulraum – Investitionszuschüsse auch für größere Klassenräume, Arbeits- und Aufenthaltsräume für ganztags anwesende Lehrer und Schüler Der Kultusminister des Landes Baden-Württemberg aber verbreitet weiterhin, die Umsetzung des G8 gelinge an den meisten Gymnasien und von systematischen Problemen könne nicht die Rede sein. Die im Frühjahr eingesetzten Runden Tische zum G8 werden wieder einmal allenfalls Änderungen in der Umsetzung an der einzelnen Schule erzielen dürfen: ein bisschen Hausaufgabenbetreuung hier und ein bisschen Kontingentstundenverschiebung da – wenn es nur nichts kostet. Können wir es uns wirklich leisten, die elementare Grundlage für die Zukunft unseres Landes kaputtzusparen? Saskia Esken SPD-Ortsvereinsvorsitzende Bad Liebenzell
 

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